Stammeskonflikt zwischen Hutu und Tutsi in Ruanda

Die Hutu-Volksgruppe (ca. 80 % der Bevölkerung) versuchte die Tutsi-Herrschaft (ca. 14 % der Bevölkerung) zu brechen und einen von der Hutu-Mehrheit geführten Staat zu gründen. Die extrem monarchistische Partei der Tutsi versuchte ihre Macht mit Terror und Repressionen zu erhalten. Nachdem tausende von Menschen sterben mussten, unterzeichneten die Konfliktparteien zum wiederholten Male ein Waffenstillstandsabkommen, das eine Übergangsregierung vorsah.

Informationen zur Geschichte von Burundi und Ruanda vor der Staatsgründung
burundi+ruanda.gif (10196 Byte)


Konfliktparteien - Verlauf - Folgen - Lösungsansätze - Quellen

Konfliktparteien

Hutu-Organisationen

Die Hutu-Volksgruppe hatte sich noch vor der Unabhängigkeit am 1. Juli 1962 gegründet und organisiert. Beistand bekam diese Gruppe von der 1957 gegründeten und gemäßigten Gruppe Association pour la Promotion de la Masse (APROSOMA, welche von Joseph Habyarina gegründet wurde). Beide Organisationen versuchten die Tutsi-Herrschaft zu brechen und einen von der Hutu-Mehrheit geführten Staat zu gründen.

Tutsi-Organisation

Die extrem monarchistische Partei der Tutsi (Union Nationale Rundaise, UNAR) versuchte ihre Macht mit Terror und Repressionen zu erhalten. Weiterhin gab es eine demokratische Entwicklung der Tutsi-Partei. In dem Rassemblement Démocratique Rundais (RADER) traten die Tutsi-Partei als auch Mitarbeiter der Hutu ein.


Konfliktparteien - Verlauf - Folgen - Lösungsansätze - Quellen

Verlauf

Stammeskrieg 1959

Nach dem Tod des belgienfreundlichen Königs Mtara II. im Juli 1959 und der Wahl Kigeri V. zu seinem Nachfolger kam es zur Revolution der Hutu aufgrund eines undemokratischen Wahlverfahrens. Der allgemeine Aufstand wurde durch die Ermordung des Stammesführers der Hutu am 1. November 1959 ausgelöst.
In die 10-tägigen Kämpfe griffen auch um die 2000 belgische Soldaten ein, die den Aufstand zwar auflösten, jedoch das Regime der Tutsi nicht mehr retten konnten. Es kam zu grausamen Massakern, die viele Tausende Opfer unter der Tutsi-Bevölkerung forderten. Die meisten Tutsi (ca. 150.000) und auch ihr König Kigeri V. flohen ins benachbarte Ausland Burundi.

Bürgerkrieg 1990

Am 4. Oktober 1990 drangen etwa 1000 in Uganda lebende Exil-Tutsi in den Norden Ruandas ein. Sie wollten die Regierung Habyarimanas stürzen mit der Begründung, er führe ein diktatorisches Regime und sei unfähig. Unter der Führung von Fred Rwgyema, der zu der patriotischen Front Ruandas (FPR) gehört, eroberten sie die Stadt Gabriso. Die ruandische Armee wehrte sich mit Unterstützung von 500 zairischen, 600 belgischen und 150 französischen Fallschirmjägern gegen die Angriffe der FPR, welche bereits Kigali erreicht hatten.

Bürgerkrieg 1994

Am 6. April 1994 kam Präsident Habyarimana zusammen mit dem burundischen Präsident Ntaryamir bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Die Maschine wurde in der Hauptstadt Kigali beschossen. Sofort nach diesem Attentat brach der Bürgerkrieg aus. Die Folgen waren Ende April ca. 200 000 Todesopfer und Hunderttausende flohen in die Nachbarstaaten. Die FPR-Rebellen eroberten immer mehr Gebiete und die Übergangsregierung flüchtete aus Kigali. Ende Juni begann Frankreich mit der Militäraktion "Operation Türkis". Eine Schutzzone im Südwesten Ruandas wurde von 2500 französischen und senegalischen Soldaten errichtet. Am 4. Juli eroberten die Tutsi-Rebellen die Hauptstadt.

Ruanda griff zwischen 1996 und 2002 militärisch im Nachbarland Kongo ein. Dort hatten sich im August 1996 Banyamulenge-Kämpfer, eine dort seit Generationen lebende Tutsi-Minderheit, gegen die Regierung erhoben.

Das Kriegsverbrechertribunal der Vereinten Nationen (VN) für Ruanda hat am 16.03.2005 einen ehemaligen Hutu-Lokalpolitiker wegen des Aufrufs zum Massaker an Tutsis zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der 60-jährige Vincent Rutaganira, ehemaliger Stadtrat in Mubuga im Westen Ruandas, hatte sich schuldig bekannt, ein Massaker an tausenden Tutsis nicht verhindert zu haben, die im April 1994 in einer Kirche in Mubuga Zuflucht gesucht hatten.

... und später ...

2001-06-07 Aus dem Kongo brachen Hutu-Rebellen ein und lieferten sich schwere Gefechte mit Regierungssoldaten. Mindestens 150 Miliz-Kämpfer wurden getötet.


KonfliktparteienVerlauf - Folgen - Lösungsansätze - Quellen

Folgen

Die Hutu-Revolution bedeutete das Ende der Tutsi-Monarchie. König Kigeri V war es gelungen, durch Morde und Agitation die Hutu-Herrschaft zu verunsichern, jedoch brachte das Referendum im September 1961 eine eindeutige Mehrheit (79 %) für eine Hutu-Republik.
Am 1. September 1962 erlangten Ruanda und Burundi die Unabhängigkeit und Kayiband wurde Staats- und Ministerpräsident.
Gegen den Beschluss der UNO wurde auch die Trennung von Ruanda und Burundi vollzogen.
Die Tutsi waren gegen diese Entwicklung. Am 20. Dezember 1963 begann eine Invasion von Zehntausenden. Sie kamen aus ihren Flüchtlingslagern in Burundi, Uganda und Kongo, um in Ruanda einzudringen. Jedoch wurden sie von der Armee zurückgetrieben. 20 000 Tutsi kamen bei den Kämpfen zwischen 1963 und 1964 ums Leben. Alle oppositionellen Gruppen wurden aufgrund der Tutsi-Invasion verboten und die Parmehutu versuchte als Einheitspartei ein neu geordnetes Staatswesen aufzubauen. Wirtschaftliche Unabhängigkeit durch die politische Freiheit erreichten sie aufgrund der geographischen Lage, mangelnder Ressourcen und einer fehlenden Infrastruktur nicht. Erst nach dem Militärputsch des Generals Habyarimana am 8. Juli 1973 gab es erste Ansätze zur Überwindung des Tribalismus und eines Ausgleichs zwischen den verfeindeten Stämmen. Seit dem 5. Juli 1975 regierte eine neue Einheitspartei Mouvement révolutionaire National Pour le Dévelopement (MRND) die zweite Republik Ruanda. Das Verhältnis zwischen den Hutu und Tutsi begann sich etwas zu entspannen und die Regierung versuchte den Ausgleich der beiden Stämme zu unterstützen. Jedoch kam es in Burundi wiederholt zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen der Tutsi-Minderheit gegen die Hutu-Mehrheit.

Am 17. Oktober 1990 stimmte Habyarimana Verhandlungen mit der FPR zu. Ein Waffenstillstand kam jedoch erst nach sechsmonatigem Kampf im März 1991 zustande.
Für eine Bildung einer militärischen Beobachtergruppe entschieden sich die Präsidenten von Uganda, Burundi, Zaire und Habyarimana. Die Rückkehr der Tutsi-Exilanten aus Uganda, Zaire nach Ruanda wurde vereinbart.

1993 kam es trotz der Vereinbarung wiederholt zu heftigen Gefechten zwischen der Patriotischen Front und der Regierungsarmee 50 km vor der Hauptstadt Kigali. Die Lage im Land wurde durch die Flüchtlinge und zurückkehrende Vertriebene immer schwieriger. Soziale Spannungen wuchsen. 1993 unterzeichneten die Konfliktparteien zum wiederholten Male ein Waffenstillstandsabkommen, das eine Übergangsregierung vorsah. Die bewaffneten Auseinandersetzungen verhinderten vorerst die Regierungsbildung.

Im Frühjahr 1994 wurde in 90 Tagen ein Siebtel der Bevölkerung ausgelöscht: 1.074.017 Menschen starben. Mehr als 90 Prozent der Getöteten gehörten der Tutsi-Minderheit an.

Am 18. Juli 1994 erklärte die FPR den Krieg einseitig für beendet und vereidigte eine neue Regierung. Die beiden höchsten Staatsämter wurden mit Hutus besetzt: Bizmungu wurde Staatspräsident und Twagimamungu Ministerpräsident.
Über eine Million Hutus flüchteten vor den heranrückenden Truppen nach Zaire, wo in den Flüchtlingslagern noch immer täglich Menschen an Cholera sterben oder die Übergriffe geflüchteter Hutu-Regierungssoldaten befürchten müssen, die weiterhin den Hass schüren und gnadenlos ehemalige Tutsi-Kollaborateure verfolgen. Auf die Rückeroberung Ruandas bereiteten sich über 40.000 Soldaten der ehemaligen Regierungsarmee vor. Dort hat sich die Lage vorerst stabilisiert und die Regierung forderte die Flüchtlinge auf ins Land zurückzukehren. Im August wurde Twagimamungu von Präsident Giramungu entlassen und neuer Ministerpräsident wurde Rwigema vom Stamm der Hutu.

Der Völkermord auf oberster politischer Ebene wird seit 1995 von einem Kriegsverbrechertribunal in Arusha, Tansania untersucht, das bereits mehrere Beschuldigte verurteilt hat. Doch dieses Tribunal hat nur die Aufgabe, die Planer des Genozids zu verurteilen. Für die Prozesse gegen die Hunderttausenden von Normalbürgern besann sich Ruanda 1999 einer traditionellen Dorfgerichtsbarkeit, den sogenannten Gacaca-Gerichten (Gacaca sind ursprünglich vorkoloniale Dorfgerichte in Ruanda). (Näheres siehe dazu auch unter Lösungsansätze.)

Herbst 1998: Der Hutu-Major Jean-Paul Akayesu wurde nach mehr als vier Jahren nach dem Massaker an einer halben Million Tutsi für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Folter und Vergewaltigung angeklagt und schuldig gesprochen. Er soll die Ermordung von rund 2000 Menschen in dem Dorf Taba 1994 geplant haben. Zum ersten Mal in der Geschichte der UNO wurde jemand vor einem internationalen Tribunal des Völkermordes schuldig gesprochen.

Zuletzt aktualisiert: 

Im Mai 2020 wurde in einem Vorort von Paris Félicien Kabuga (84 Jahre alt) gefasst. Der mutmaliche Financier des Vlkermordes in Ruanda soll vorein internationales Gericht gestellt werden.


KonfliktparteienVerlauf - Folgen - Lösungsansätze - Quellen

Lösungsansätze

Am 8. Juli 1973 gab es erste Ansätze zur Überwindung des Tribalismus und eines Ausgleichs zwischen den verfeindeten Stämmen. Am 17. Oktober 1990 stimmte Habyarimana Verhandlungen mit der FPR zu. 1993 unterzeichneten die Konfliktparteien zum wiederholten Male ein Waffenstillstandsabkommen, das eine Übergangsregierung vorsah. Die bewaffneten Auseinandersetzungen verhinderten vorerst die Regierungsbildung.

Zur Beilegung der Konflikte gibt es eine Gruppe Unterhändler, zu denen nach dem Tod von Tansanias Julius Nyerere jetzt auch Südafrikas Nelson Mandela gehört - es sieht nicht so aus, als gäbe es eine sofortige Lösung, dafür sind die ökonomischen Voraussetzungen des Landes einfach zu schlecht und die Eigeninteressen der verschiedenen Verhandlungspartner zu hoch.

Zuletzt aktualisiert:

Auch im Jahr 2004 war der Völkermord von 1994 noch nicht aufgearbeitet. Noch etwa 25.000 Menschan saßen in Gefängnissen. Große Gerichtsverhandlungen - meist unter freiem Himmel (sog. Gacaca-Tage) - wurden angestrengt. In Ruanda gab es 258.208 Laienrichter, die in über 10.000 Gacacas in 758 Orten ihre Arbeit aufnahmen. Geplant wurden weitere 8250 Gacacas.


KonfliktparteienVerlauf - Folgen - Lösungsansätze - Quellen

Quellen

Westermann Lexikon - Krisenherde der Welt
                                    Konflikte und Kriege seit 1945, S. 182f, 616
http://www.afrikahaus.net/page44.html  Stand: 18.3.2005
http://de.wikipedia.org/wiki/Burundi Stand: 18.3.2005

Haller Tagblatt (Südwest Presse) vom 1998-09-03, 2002-02-15, 2004-04-03

IAP 2/2001, 7/2001



Home

Zurück
Seitenanfang

Stand: 20-05-20
Letzer Bearbeiter: J. Gierich
Frühere Bearbeiter: Anja Sturm (Juni 2005), Heidi Weiss (2002-07-16)
Grafik: "Unsere Erde" von Rudas & Karig (Verlag Markt & Technik)

Datei: burundi+ruanda/ruanda.html